Kreisgruppe Mannheim

Bebauungsplan Nr. 71.49 "Offizierssiedlung" in Mannheim-Käfertal

Der BUND Mannheim nimmt dazu im Namen des BUND Landesverbandes Baden-Württemberg wie folgt Stellung:

Die Offizierssiedlung mit ihrem weitläufigen Anlage und parkähnlichen Charakter, wird mit diesem Bebauungsplan in ihrem Kern zerstört. Es kommt zu einer starken Versiegelung und zum Verlust von ca. 500 Bäumen. Die Auswirkungen auf Flora und Fauna sind umfangreich. Für die nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz relevanten Arten besteht das Tötungsverbot, das Störungsverbot und das Schädigungsverbot. Mit den im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag aufgelisteteten Kompensationsmaßnahmen wird diese Vorgabe nicht erfüllt. Die vorgeschlagenen CEF Maßnahmen entsprechen nach unserer Ansicht nicht den rechtlichen Vorgaben, wirksame, funktionserhaltende Maßnahmen zu ergreifen, um den Erhaltungszustand für die betroffenen Arten zu gewährleisten. Das alleinige Aufhängen von Nistkästen kann lediglich ergänzend für zeitlich begrenzte Entwicklungsdefizite bei der Herrichtung von dauerhaften, natürlichen Ersatzhabitaten dienen (Runge 2010). Es besteht deshalb nach unserer Einschätzung weiterer Handlungsbedarf, um die Eingriffe in den Naturhaushalt zu minimieren.

Allgemeine Anforderungen an CEF Maßnahmen

Mit vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen sollen die artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verhindert werden. Die sogenannten CEF Maßnahmen (Measures to ensure the continued ecological functionality), werden in der deutschen Übersetzung als funktionserhaltende Maßnahmen bezeichnet werden. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen dienen dazu, trotz der Beschädigung oder (Teil)-Zerstörung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte, die ökologische Funktion der betroffenen Lebensstätte im räumlichen Zusammenhang kontinuierlich zu bewahren. Im Prinzip geschieht dies, indem die Funktionsfähigkeit der betroffenen Lebensstätte vor dem Eingriff durch Erweiterung, Verlagerung und / oder Verbesserung der Habitate so erhöht wird, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Reduzierung oder einem Verlust der ökologischen Funktion der Lebensstätte kommt. Dies betrifft sowohl Fortpflanzungs- und Ruhestätten als auch Nahrungshabitate und Wanderbeziehungen soweit sie für die lokale Individuengemeinschaft einen limitierenden Faktor darstellen. Das Maß der Verbesserung muss dabei gleich oder größer als die zu erwartenden Beeinträchtigungen sein (EU-Kommission 2007).

An vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen sind hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu stellen. Dies bedeutet, dass sie bereits vor der Umsetzung der Planung wirksam sein müssen und die Wirksamkeit (in der Regel durch ein Fachgutachten) belegt ist (MVI Baden- Württemberg 2015).
Es ist also zu beachten, dass funktionserhaltende Maßnahmen eine große, objektiv belegbare Erfolgsaussicht haben müssen und der Erhaltungszustand einer Art in etwaige Überlegungen zu den Risiken derartiger Maßnahmen einfließen muss .

Fledermäuse

Alle Fledermausarten sind streng geschützt und unterliegen der FFH Richtlinie, Anhang IV, sodass auf jeden Fall CEF Maßnahmen anzuwenden sind. Die Offizierssiedlung mit ihrem alten Baumbestand, der weitläufigen Anlage und der Nähe zum Wald bietet gute Lebensbedingungen für viele Fledermausarten, weshalb eine sorgfältige, umfassende Begutachtung des Gebietes nötig ist.

Im vorliegenden artenschutzrechtlichen Fachbeitrag, Baader Konzept 2015, sehen wir deutliche Defizite im kurzen Untersuchungszeitraum vom 7.4.2015 bis 9.6.2015, sowie in der kurzen, nur jeweils 45-minütigen Begehung des 12 ha großen Geländes. Darüber hinaus fehlt die Untersuchung der Dachstühle und Baumhöhlen auf Wochenstuben.

In den 5 abendlichen Begehungen konnten aufgrund der kürze der Zeit keine belastbaren Daten zum Gesamtvorkommen der Fledermäuse erfasst werden. Für eine sorgfältige Untersuchung des Gebietes werden mehrere Stunden benötigt, um die Jagdaktivitäten möglichst aller Arten zu erfassen und mögliche Wochenstuben zu verorten.

Die Wochenstubenzeit der Fledermäuse erstreckt sich von Mai bis Juli, der Untersuchungszeitraum hat somit nur 1/3 des Zeitfensters erfasst. Zwergfledermaus und Breitflügelfledermaus wechseln zudem gerne ihre Wochenstube, sodass eine Untersuchung des gesamten Zeitraums nötig ist, um belastbare Ergebnisse zu erhalten.

Die Untersuchung des Gebietes in der Paarungszeit im Herbst und zur Zugzeit fehlt ebenfalls.

Die Zwergfledermaus wurde flächendeckend im gesamten Gebiet nachgewiesen, es ist davon auszugehen, dass die Offizierssiedlung ein wichtiges Nahrungshabitat für die Art ist. Da die Art häufig in menschlichen Siedlungen vorkommt und auf dem Gelände 66 Höhlenbäume nachgewiesen wurden, ist es möglich (wie auch der Gutachter feststellt) dass sie in den Bäumen Nist- und Ruhequartiere belegt.

Folgende Maßnahmen sind aus unserer Sicht vor den geplanten Baumfällungen und Häuserabrissen zu erfüllen, um artenschutzrechtliche Konflikte zu minimieren:

  • eine weitere Untersuchung der Bäume auf Quartiere, bevor die ersten Baumfällungen anstehen.

  • Weitere Untersuchung der Gebäude und Dachstühle auf Nistquartiere vor deren Abriss

  • Bei der Bewertung des Lebensraums und den nötigen Kompensationsmaßnahmen müssen

    auch die zu erwartenden Eingriffe auf Franklin Mitte mit einbezogen werden.

  • Schaffung von natürlichen, dauerhaften Habitatstrukturen für die einzelnen Arten zum Erhalt der Fledermausvorkommen als vorgezogene Maßnahmen inklusive Erfolgskontrolle.

  • Intensive ökologische Baubegleitung

Grundvoraussetzung ist dabei immer, dass die neu geschaffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von den durch den Eingriff betroffenen Individuen oder der Individuengruppe erreicht werden können und innerhalb des artspezifischen Raumnutzungsmusters so angeordnet sind, dass ihre Nutzung hinreichend wahrscheinlich ist.

Die im Gutachten festgesetzten 5 Nistkästen als alleinige Kompensationsmaßnahme für die geplanten Eingriffe in das Gebiet sind nach BnatSchG völlig unzureichend.

Vögel

Auch für die Vögel gilt, dass die gutachterlich vorgeschlagenen Nisthilfen nur eine vorübergehende Maßnahme sein können. Es ist dafür zu sorgen, dass Hecken aus heimischen Arten angelegt werden, die die Vögel ernähren können und Nistmöglichkeiten bieten. Sollten aus Gründen der Verkehrssicherheit weitere Höhlenbäume gefällt werden, ist ein Ersatz im angrenzenden Waldrand anzustreben.

Ansonsten schließen wir uns der Stellungnahme des NABU Mannheim an.

Körnerbock

Der holzbewohnenden Körnerbock (Megopis scabricornis) ist eine national streng geschützte Art nach BnatschG, die vom Aussterben bedroht ist (Rote Liste 1). Es wurden 3 Brutbäume und 4 Verdachtsbäume bei einer Begehung des Areals nachgewiesen. Der Gutachter Claus Wurst bemerkt in seinem Gutachten vom 20.8.2014 jedoch: 'Es sei hier an herausragender Stelle vermerkt, dass die vorliegende Untersuchung zum Zeitpunkt der Vollbelaubung stattfand, die naturgemäß einen freien Blick in die Krone und an den Stamm zumindest größerer Bäume erschwert, der aber umgekehrt grundlegend für eine sichere Beurteilung ist.'

Es ist also durchaus möglich, dass noch mehr Brutbäume auf dem Gelände stehen, diese müssen vor den geplanten Baumaßnahmen erfasst und möglichst erhalten werden.

Für die empfohlene Ausgleichsmaßnahme, Lagerung der besiedelten Stämme als Totholzpyramide, sehen wir noch erheblichen Untersuchungsbedarf. Voraussetzung für einen langfristigen Erfolg der Maßnahme sind neue Besiedlungsbäume im nahen Umfeld. Der Gutachter sieht den Erhalt der Gehölze im Westen des Geländes als dringlich, da von hier aus eine Besiedlung von Bäumen der angrenzenden Grundstücke, wie des Reiterhofes oder des Friedhofes, möglich sein kann. Nach der vorliegenden Planzeichnung werden jedoch im Westen ein Großteil der Bäume den Neubauten weichen müssen, sodass der Erfolg der vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen in Frage zu stellen ist. Zudem sind die vorgesehenen Standorte für die Totholzpyramiden in unmittelbarer Nähe der öffentlichen Wege ungünstig. Eine geschützter, abgelegener Standort wäre vorzuziehen, die Standortbedingungen, besonnt oder eher schattig, feucht oder trocken, sind zu klären.

Folgende Maßnahmen sind aus unserer Sicht vor den geplanten Baumfällungen zu erfüllen, um artenschutzrechtliche Konflikte zu minimieren:

  • Untersuchung der Bäume in unbelaubtem Zustand zur Erkundung weiterer Brutbäume.

  • Rücksprache mit dem Gutachter hinsichtlich der Erfolgsaussichten beim Aufstellen der

    Totholzpyramiden bei Verlust der Gehölze im Westen.

  • Festsetzung der Standorte für die Totholzpyramiden in Absprache mit dem Gutachter.

  • intensive ökologische Baubegleitung, Dokumentation und Veröffentlichung der Ergebnisse.

Bäume

In der Baumerfassung werden von Baader Konzept 2014 rund 950 Bäume in der Offizierssiedlung erfasst und beschrieben. Leider fehlt in den Unterlagen der in der Anlage befindliche Lageplan der Bäume, sodass die von Fällung betroffenen Bäume nicht identifiziert werden können. Zudem werden in der Bilanzierung der Eingriffe nur 59 markante, großkronige Bäume bearbeitet und berechnet (Begründung S. 84).

Wir fordern eine Bilanzierung des gesamten Baumbestandes und die Veröffentlichung der Ergebnisse bevor die ersten Eingriffe erfolgen. Es ist zu erwarten, dass sich das Defizit bei den Wertpunkten weiter erhöht. Mit einer Erweiterung der Ausgleichsflächen auf Sullivan soll dieses Defizit kompensiert werden.

Ausgleichsflächen auf Sullivan

Die auf Sullivan geplante Anlage eines Sandrasens als Kompensation für die vielfältigen Eingriffe in den Naturhaushalt müssen von fachkundigem Büro geplant und ausgeführt werden. Nach unserer Kenntnis gibt es kein autochthones Saatgut für Sandrasen, sodass die Fläche entweder über Sukzession oder über Heudrusch aus einer nahegelegenen, hochwertigen Sandrasenfläche zu entwickelt ist. Bei der Mahd der Spenderfläche und der Aufnahme des Heudruschs ist darauf zu achten, dass das Saatgut nur geringfügig ausfällt.

Die auf Sullivan geplante Anlage eines Waldes soll, genauso wie der Sandrasen, an die Pflege- und Entwicklungsziele des angrenzenden FFH Gebietes angepasst werden und diese ergänzen. Wir schlagen eine Initialpflanzung von Bäumen mit der Möglichkeit der Sukzession des Unterholzes, also der Busch- und Krautschicht, vor.

Dachbegrünung

Ein Großteil der nötigen Kompensation erfolgt über die Dachbegrünung. Um die nötige ökologische Qualität zu erreichen, sollte für die Begrünung ausschließlich Wildsaatgut mit einem Anteil Sedumsprossen vorgeschrieben werden. Sämtliche Dachflächen müssen im Rahmen der Baukontrolle in ihrem Umfang überprüft werden, die eingesetzte Saatgutqualität soll dokumentiert werden.

Neophyten

Sehr häufig werden bei Baumaßnahmen über kontaminierte Baumaschinen Neophyten, vor allem Fallopia spec., eingeschleppt. Deshalb sollte bei sämtlichen Baumaßnahmen eine Nachkontrolle und dauerhaftes Entfernen von Neophyten in die Ausschreibung mit aufgenommen werden.

Die Stadt Mannheim hat 2012 die 'Deklaration zur biologischen Vielfalt in der Kommune' unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihren Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität zu leisten und dem Artenschwund entgegenzuwirken. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, sind die oben aufgeführten Nachbesserungen umzusetzen und vor den Eingriffen auf ihren Erfolg zu überprüfen.

Energiestandard

Wir vermissen eine Festschreibung zum Energiestandard, die Neubauten sollten den Passivhausstandard erfüllen.

Wegenetz

Es ist zu erwarten, dass der gemeinsame Fahrrad/Fußgängerweg im Norden als durchgängige Ost- Westquerung stark frequentiert wird. Die festgelegte Breite von 3m ist dafür viel zu schmal und sollte auf 4,5 m verbreitert werden, um Konflikte zwischen den Nutzern zu minimieren.

Literatur:

EU-KOMMISSION (2007): Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the Habitats Directive 92/43/EEC, Final Version, February 2007. Deutschsprachige Fassung: Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichen Interesse im Rahmen der FHHRichtlinie 92/43 EWG

MVI Baden-Würrtemberg, 2015: Natur- und Artenschutz in der Bauleitplanung
Runge,H; Simon, M Widdig, T (2010): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V., vertreten durch den Arbeitskreis Mannheim, Heidelberg, Rhein-Neckar schließt sich dieser Stellungnahme an.