Kreisgruppe Mannheim

Stellungnahme zur naturnahen Entwicklung des Neckars und Wiederanbindung der Feudenheimer Au/BUGA Mannheim

Aktenzeichen „20201288“ Naturnahe Entwicklung des Neckars und Wiederanbindung der Feudenheimer Au/BUGA Mannheim

Grundsätzlich begrüßt der BUND die Anlage eines Feuchtbiotops zur ökologischen Aufwertung der Feudenheimer Au . Neben der Anlage von Wiesen und Hecken war die Entwicklung von Feuchtbiotopen nach der Unterschutzstellung im Jahr 1988 vorgesehen.

Im Laufe der BUGA Planungen hat sich der BUND Mannheim kritisch zum geplanten Augewässer geäußert. Der immense Eingriff in die natürliche Bodenstruktur der Au, die Abdichtung mit Folie und die Eingriffe in die Bienenragwurzstandorte waren für uns ausschlaggebend.

Nach dem im September 2020 stattgefundenen Fachgespräch mit den Fachplanern, Nachbarschaftsverband und der BUGA Gesellschaft hat sich der BUND eher positiv zu dem Vorhaben ausgesprochen. Grundlage dafür waren:

  • Seegröße von 1,6 ha mit ökologisch wertvollen Flachwasserzonen
  • Abdichtung mit Ton aus dem Aushub
  • Anlage der Trittsteinbiotope am Bachlauf
  • mittelfristige Anbindung an den Neckar als echte Auenstruktur
  • Erhalt der Bienenragwurzstandorte.

Nach dem Studium der Unterlagen sehen wir deutliche Abweichungen in der Qualität der kommunizierten Maßnahmen.

1. Augewässer

Die Fläche des Sees beträgt statt der bisher angegebenen Größe von 1,6 ha insgesamt 2,5 ha was mit einem deutlich erhöhten Eingriff in den Boden verbunden ist.
Zudem ist eine Rhizomsperre aus Folie im gesamten Flachwasserbereiche auf 9500m2 geplant, um die gewünschte gestalterische Anmutung des Sees mit stabilem Wasserstand zu erreichen. Weitere Folien sind für das Schilfgebiet und die Trittsteine vorgesehen, insgesamt gut 1,5 ha Flächen sind betroffen. Auch das Ausbringen der Trennvliese über dem gesamten Gewässerboden ist aus ökologischer Sicht nicht erforderlich, denn Wasserstandsschwankungen sind ein natürliches, charakteristisches Element von Flussauen.

Die Verwendung von Kunststoffen muss auf den Prüfstand, denn es wird langfristig im Grundwasser landen und widerspricht damit den Bewirtschaftungszielen für das Grundwasser (Wasserhaushaltsgesetz §47) .
Das Ausbringen von Folien und Vlies im geplanten Umfang, Drainage und technische Bauten für Pumpen, Wasser-, Elektro- und Steuerungsleitungen in einem Schutzgebiet kann mit der ökologischen Aufwertung nicht gerechtfertigt werden. Es schädigt langfristig den Naturhaushalt, was §4.2 der LSG Verordnung widerspricht.

Die Bauminsel halten wir für entbehrlich, da dafür eine weitere Abdichtung mit Folie nötig ist und sich uns der ökologische Wert nicht erschließt.
Die Abdichtungen für die Gewässer belaufen sich auf insgesamt 4,6 ha, gut 10% des LSGs. Auf dieser Fläche wird kein Niederschlag versickern und damit die Grundwasserneubildung verringert. Wir regen an, die Flächengröße noch einmal zu überarbeiten, eine gute ökologische Auequalität kann auch mit deutlich geringeren Flächen erreicht werden.

2. Mäandrierendes Fließgewässer

Das Fließgewässer soll 8 Std./Tag fließen, die Auswirkungen auf die Fauna ist zu prüfen. Viele Insekten, wie Libellen , Steinfliegen u.v.a. legen ihre Eier an oder in Fließgewässer ab. Es ist zu befürchten, dass beim Trockenfallen über 16 Stunden große Verluste auftreten. Die in der Aue lebenden Tiere sind zwar an Wasserschwankungen angepasst, die jedoch bei natürlichen Gewässern mehrtägigen oder mehrwöchigen Zyklen unterliegen. Ein Trockenfallen im Tagesrhythmus ist untypisch und kann zu großen Verlusten bei der Reproduktion führen.

Aufgrund der neuen Wegeführung kreuzen die Wege mehrmals den Bachlauf, an den Stellen wird das Gewässer offensichtlich verdohlt. Solche Stellen sind schwierig für Fische, aber auch andere Tiere zu überwinden, die spätestens beim Anschluss an den Neckar hier zu erwarten sind. Das Wegekonzept sollte unbedingt so überarbeitet werden, dass die Kreuzungen vermieden werden und der Bachlauf offen fließen kann.. Nach den Unterlagen sollen die Trittsteine mit Schilf und Rohrkolben bepflanzt werden. Das sehen wir sehr kritisch, es ist zu erwarten, dass die Trittsteine schnell verlanden aufgrund des rasanten Wachstums von Schilf und des Nährstoffeintrags aus der Umgebung. Die Trittsteine sollten mit weniger wüchsigen Pflanzen und ohne Folienabdichtung angelegt werden.

3. Schilfgürtel

Das Grundwasser durch einen Schilfgürtel zu reinigen, können wir nachvollziehen. Die Technik dahinter und die damit verbundenen Schächte, Leitungen, Betontrennwand und Abdichtungen erscheinen uns für eine Anlage, die im Rahmen der WRRL eine Auenaufwertung darstellen soll jedoch überdimensioniert.
Bei der Realisierung des Schilfgürtels und den Übergängen Schilfgürtel zu Bachlauf, sowie Bachlauf zu Augewässer soll die zukünftige Fischdurchgängigkeit schon mit geplant und gewährleistet werden. Der Anschluss an den Neckar darf nicht mit Rück- und Umbauarbeiten und so mit weiteren, den Naturhaushalt schädigenden Eingriffen in der Au verbunden sein.

4. Grundwasserentnahme

Die Grundwasserentnahme ist als temporäre Maßnahme bis zur Neckaranbindung zu betrachten. Die Verdunstung und Versickerung über den See soll ausgeglichen werden und der Bachlauf zumindest für 8 Stunden fließen. Darüber hinaus soll über den See das Spinelli Gelände beregnet werden. So kommt eine beträchtliche jährliche Entnahme von 390.000m3 zusammen.

Im Vorfeld ist zu prüfen,

  • ob die Grundwasserförderung im Süden der Au zu eine Veränderung der Grundwasserfließrichtung führt und eventuell mit LCKW belastetes Grundwasser von Spinelli nach Süden angezogen wird und so in den Kreislauf des Oberflächengewässers einfließt, (Konflikt mit der Verordnung zum Schutz des Grundwassers §4,2d)
  • In welchem Maße die Grundwasserentnahme zusammen mit der verringerten Versickerung durch die abgedichteten Gewässerflächen von 4,6 ha den Grundwasserstand dauerhaft absinken lässt.
  • Welche Auswirkungen der Absenktrichter des Grundwassers auf den Naturhaushalt des Bürgerparks und des Naturdenkmals 'Die Bell' hat.

Eine Verschlechterung der Wasserversorgung der hochwertigen Ackerböden und Biotopen muss genauso ausgeschlossen werden, wie mögliche negative Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz der unmittelbaren Umgebung.

Die Entnahme von Grundwasser für die dauerhafte Bewässerung der Parkschale auf Spinelli sehen wir sehr kritisch. Die Grundwasserneubildung ist in Zeiten des Klimawandels schwer berechenbar. Eine 11 ha große Grünanlage im Außenbereich dauerhaft mit Grundwasser zu beregnen halten wir für nicht zeitgemäß und mit den Nachhaltigkeitszielen der Stadt Mannheim und der BUGA schwer vereinbar. Wir schlagen vor, die bewässerten Flächen deutlich zu verringern oder am besten naturnah auf die Standortverhältnisse anzulegen. Eine naturnahe Begrünung ist auch ohne Bewässerung möglich.
Der hohe Energiebedarf, der für das Pumpen des Grundwassers von der Au bis zu den Rasenflächen auf Spinelli nötig sein wird, ist mit einer Grünplanung, die den Klimaschutz mit berücksichtigt, nach unserer Auffassung wenig vereinbar. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn neben der Umstellung auf regenerative Energien, die Energieeinsparung konsequent bei allen Planungen mitgedacht wird.
Wir sehen in der Grundwasserförderung grundsätzlich einen Konflikt mit Grundwasserschutz und den Zielen der WRRL. Die Grundwasserqualität in Mannheim ist schlecht, die Nitratbelastung dauerhaft zu hoch, das Grundwasser ist mengenmäßig und chemisch gefährdet .

5. Boden

Die Gewässeranlage erfordert einen Bodenaushub von insgesamt 90.000m3, es wird ein Defizit in der Bodenfunktion von 406.000 Ökopunkten erreicht, das nicht adäquat ausgeglichen werden kann. Die enorme bauzeitliche Flächeninanspruchnahme für das Zwischenlagern und Bearbeiten der ausgehobenen Böden sowie für die Lagerung der Baumaterialien von insgesamt 2,77 ha stellt einen schweren Eingriff in die Bodenqualität der Au dar. Es ist zu erwarten, dass aufgrund der Befahrung und Lagerung der Bodenmieten die bindigen Böden der Au nachhaltig verdichtet werden. Es ist ebenso zu erwarten, dass die Wiesen, die nach den Baumaßnahme auf den verdichteten Flächen am Augewässer angelegt werden sollen, sich nur schlecht entwickeln werden. Daher sollte der Boden anderweitig gelagert werden und eine Verkleinerung des gesamten Gewässersystems erfolgen.

Die Verdichtung, Verlagerung und das Einbringen von Kunststoffen, Beton und weiteren Materialien im geplanten Umfang widerspricht der §4 Pflicht zur Gefahrenabwehr und §7 Vorsorgepflicht des Bundes-Bodenschutzgesetz. Ein funktionierendes Augewässer ist auch ohne Technik möglich, zumal mittel- bis langfristig die Anbindung an den Neckar geplant ist.

6. Flora und Fauna – LBP
Falls ein Fischbesatz geplant ist, muss dieser aus regionalem Genpool stammen.

Die Baumaßnahmen reichen bis unmittelbar an die Bienenragwurzwiesen heran, es ist sicherzustellen, dass diese Flächen vor Überfahren und anderen Beeinträchtigungen abgesichert werden.

KO1:

Sämtliche Pflanzungen von Gehölzen und Hochstauden, sowie die Ansaaten müssen nach §40.4 BNatschG gebietsheimisch sein und von zertifizierten Produzenten stammen. Die Qualität ist bauseits zu überprüfen, wenn gebietsheimische Arten nicht zu beziehen sind, ist darauf zu verzichtet.

KO5:

Die Aufwertung der Wiesen mit Diasporen von artenreichen Spenderflächen befürworten wir. Jedoch sollten die Standorte der Bieneragwurz ausgenommen werden, da die nötige Bodenvorbereitungen schädlich für die Pflanzen sind. KO6:

Wir begrüßen die Aufwertung des Grünland am Hochgestade.

7. Zusammenfassung

Die Feudenheimer Au ist die letzte große und recht zentral gelegene Fläche mit ungestörtem Boden in Mannheim. Betrachtet man die Baumaßnahmen, Versiegelungen und den Eintrag von fremden Materialien, ist mit einer deutlichen Verschlechterung der Bodenqualitäten zu rechnen und einem Verlust ungestörter Böden. Die Umschichtungen der hochwertigen Böden in dem geplanten Ausmaß halten wir mit einer ökologischen Aufwertung für nicht vereinbar.
Die gesamte Anlage ist hoch technisiert. Dieser Umstand ist vor allem dem Anspruch geschuldet, einen möglichst gleichbleibenden Wasserstand im See zu erhalten. Das ist ein rein ästhetischer Anspruch und hat mit ökologischer Qualität wenig bis gar nichts zu tun. Die Aue lebt gerade von Wasserstandsschwankungen, diese technisch zu verhindern hebt den Auecharakter auf und verringert die Biotopqualität für an die Aue angepasste Tiere und Pflanzen.

Nach unserer Einschätzung muss die Maßnahme Augewässer unbedingt noch einmal bezüglich der Größe und der technischen Qualität überarbeitet werden.
Die zeitgleich geplanten Großbaustellen des Radschnellwegs, der Seilbahn, Panoramsteg und Wegenetz beeinträchtigen das Gebiet zusätzlich. Es muss gewährleistet sein, dass sämtliche Schutzmaßnahmen trotz räumlicher Enge und Zeitdruck eingehalten werden.

Die Au hat eine hohe Bedeutung für die Grundwasserneubildung, diesem Umstand wird die vorliegende Planung nicht gerecht, sie verringert die Grundwasserneubildung.

Der BUND Mannheim hat die Unterschutzstellung der Au maßgeblich initiiert. Wir haben uns immer wieder für ein temporäres Gewässer, wie in der LSG Verordnung beschrieben, eingesetzt. Wir hatten die Hoffnung, dass eine deutliche Aufwertung der Au möglich ist.

Die vorliegenden Planungen haben uns sehr enttäuscht, gerade auch nach dem Fachgespräch im September 2020. Es ist unbestritten, dass mit der Planung neue Lebensräume entstehen und diese auch von vielen Tieren besiedelt werden. Der massive Eingriff in den Naturhaushalt steht jedoch in keinem Verhältnis dazu, zumal es keine schützenswerten, seltenen Zielarten gibt, für die die Maßnahmen gebaut werden sollen.

Wir sehen rechtliche Konflikte mit der LSG Verordnung, der Grundwasserverordnung, dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Bundesbodenschutzgesetz.

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V., vertreten durch den Arbeitskreis Mannheim, Heidelberg, Rhein-Neckar schließt sich dieser Stellungnahme an.