Kreisgruppe Mannheim

Stellungnahme zum Vorhaben Kollekturwald der Pflege Schönau durch die AG Wald Mannheim

16. Juli 2020 | Wälder

In der Zielsetzung der Maßnahme sehen wir keine großen Abweichungen zu den Zielen, die wir für die Mannheimer Wälder definiert haben. Unsere Ziele lauten wie folgt:

  1. Walderhalt durch weitestgehenden Ökosystemschutz
  2. Entwicklung potentiell natürlicher Waldgesellschaften
  3. Bodenschutz einschließlich Vermeidung negativer Auswirkungen auf den Bodenwasserhaushalt sowie Vermeidung temporärer Nährstoff- und Humusverluste
  4. Zurückdrängung von sehr invasiven Neophyten, insbesondere Prunus serotina (Spätblühende Traubenkirsche, STK) und Ailanthus altissima (Götterbaum, GöB)
  5. Schutz von Oberflächen-, Boden- und Grundwasser
  6. Schutz des Lokalklimas einschließlich Immissionsschutz gegen Luftverunreinigungen, Lärm, Licht- und Wärmeabstrahlung von z.B. A6
  7. Erhöhung der Kohlenstoffvorräte in Wald und Waldboden (Kohlenstoffsenke)
  8. Arten- und Populationsschutz mit Erhöhung der Biodiversität und Verbreiterung des Genpools einzelner Arten
  9. Schutz der Erholungsfunktionen des meistfrequentierten Stadtwaldes in BadenWürttemberg: Minimierung der Erholungsfunktionseinschränkungen während des Waldumbaus und deren Begrenzung auf das absolut notwendige Maß.

Die genannten Ziele sind durch eine sanfte langsame Umsetzung erreichbar, es bedarf keiner radikalen Methodik. Um die wertvolle Waldbodenstruktur zu erhalten und diese als Basis der neuen Waldgesellschaft zur Verfügung zu stellen muss auf zerstörende Maßnahmen wie Fräsen, Flächenräumung, Vollumbruch mit Pflug und Stockrodung verzichtet werden. Es darf keine flächige Befahrung vorgenommen werden, um einer Bodenzerstörung durch Verdichtung entgegenzuwirken..

Ein Alternativkonzept für die Umsetzung des Waldumbaus in naturnahe, möglichst ursprüngliche Waldgesellschaften bei gleichzeitig weitestgehendem Ökosystemschutz lässt sich durch die nachfolgend genannten Maßnahmen realisieren. Dabei ist waldbaulich steuernd nur soweit einzugreifen, dass die im Wald ablaufenden dynamischen Prozesse gegenseitiger Rückkopplung nicht zu stark negativ beeinflusst werden, bedeutet signifikante Risikominimierung, ökologischen und ökonomischen Gewinn.

Gerne können die aufgezeigten Handlungsalternativen erläutert und deren Machbarkeit bzw. Umsetzung gemeinsam diskutiert werden. Wir freuen uns über einen offenen Dialog.

Rodung der STK

Anstelle der mechanischen Entfernung der Wurzelstocke und Wurzeln durch Baggereinsatz und nachfolgender flächiger Bodenbearbeitung mit dem Forstpflug können STK und GöB mit einem Brusthöhendurchmesser (BHD) - Stammdurchmesser in 1,3 Meter Höhe über dem Boden - größer als ca. 5 cm möglichst bodennah motormanuell, d.h. ausschließlich mit Motorsäge gefällt werden. STK und GöB mit kleinerem BHD sollten möglichst bodennah mit Entastungsschere abgeschnitten oder, falls möglich, auch manuell aus dem Boden herausgezogen bzw. tief abgeknickt werden, wenn ein Herausziehen per Hand nicht mehr gelingen sollte. Knicken und Ringeln der Neuophyten stellt ein probates Vorgehen zur Schwächung der Pflanze dar. Diese wird dabei nicht zerstört, aber in ihrer Vitalität eingeschränkt, was den Neupflanzungen den nötigen Wachstumsvorsprung verschafft.

Zum Herausziehen ist auch der Einsatz von Rückepferden oder eines Seilzugs vorstellbar. Beim Seilzug ist eine Seilzuglänge von maximal 20 Metern möglich. Aufgrund des dichten Waldwegenetzes im Kollekturwald werden die meisten Starkholzstämme innerhalb des arbeitstechnisch machbaren 20 Meter Seilzugradius von den vorhandenen Waldwegen aus rückbar sein. Rückegassen sollen für diese Methode nicht genutzt, oder gar neu angelegt werden, um den ohnehin geschädigten Waldboden an diesen Stellen nicht weiter zu verdichten.

Biomasse / Totholz

Nach Möglichkeit hat sämtliche Biomasse auf der Fläche zu verbleiben, wodurch das Ökosystem keine Nährstoffe verliert, Artenreichtum gefördert, Holzaufarbeitungs- und Transportkosten minimiert werden. Wo für nachfolgende Pflanzarbeiten zum Zweck einer erleichterten Zugänglichkei bzw. eines ausreichenden Arbeitsfeldes die Entnahme von Stämmen bzw. Stamm-/Kronenteilen notwendig sein sollte, können diese entweder mit Seilwinde von den Waldwegen bzw. oben genannten Rückegassen aus beigeseilt, mit Rückepferden gerückt und/oder manuell als Stammteile zu den Waldwegen verbracht werden. Insbesondere bei STK ist der durchschnittliche BHD i.d.R. nicht dem Starkholz zuzurechnen und die Waldwegedichte im Kollekturwald bei ebenem Gelände so hoch, dass entsprechend kurz gesägte Stammteile bei Bedarf auch zum nächst gelegenen Waldweg herausgetragen werden können.

Neupflanzung

Die einzelnen Flächen der so vorbearbeiteten Waldteile sollten in ihrer Einzelgröße 500 Quadratmeter nicht übersteigen, um anschließende Cluster- bzw. Klumpen- oder genauer Trupp- bzw. Gruppenpflanzungen auf freigeschnittenen Flächen von ca. 20 Metern Durchmesser z.B. im Winkelpflanzverfahren, als Spatenpflanzung oder mit motormanuellem Erdbohrgerät je nach vorgesehener Pflanzen- bzw. Wurzelgröße zu ermöglichen. Bei Verunkrautung bzw. Vergrasung und/oder stärkerer Humus-/Reisigauflage ist ggf. eine plätzeweise Bodenvorbearbeitung rein manuell mit z.B. Rechen oder Harke sinnvoll. Diese Vorgehensweise erlaubt ein differenziertes, kleinräumig an gegebene Wald- und Oberflächenstrukturen angepasstes und flexibles Arbeiten.

Waldinnenränder

Positive Effekte der durch das Alternativkonzept entstehenden Waldinnenränder und des weitgehend erhaltenen Waldinnenklimas aufgrund der vorläufigen Beibehaltung der gegebenen Waldstrukturen mit Vorwaldcharakter um die freigeschnittenen Flächen herum, wie z.B. geringere Bodenaustrocknung an heißen Tagen, erhöhen nicht nur den Anwuchserfolg, sondern sorgen auch für eine stabilere und stufigere Waldstruktur mitsamt erhöhter Biodiversität und Biotopvernetzung. Bodenverdichtung sowie weitere ökologische und hydrologische Nachteile sind somit größtenteils ausgeschlossen. Ein weitestgehender Ökosystemschutz wäre dadurch im Kollekturwald gegeben. (https://www.forschungsstellerekultivierung.de/rekultivierungsforschung/laufendeprojekte/waldinnenraender-2019/index.html).

Naturverjüngung und Pflege

Nach Möglichkeit ist auf den so vorbereiteten Kleinflächen auch Verjüngung über Saat bzw. Naturverjüngung (NV) anzustreben. Die NV von Zielbaumarten ist auch zur Gewinnung von Wildlingen durch geeignete Maßnahmen, z.B. lichtwuchsartige Durchforstung um potentielle Mastbäume herum, zu fördern. Das in Anlage beigefügte von der FVA Baden-Württemberg beschriebene Trupppflanzverfahren eignet sich in der hier beschriebenen und damit leicht modifizierten Ausführung mit Sicherheit sehr gut für den Kollekturwald und wird in der Fachliteratur auch als künstlicher Femelschlag in einem umzubauenden Bestand bezeichnet (Prof. Dr. F. Rittershofer, Waldpflege und Waldbau 1994, S.277ff.). Nach den Pflanzungen bzw. erfolgreicher NV / Saat bedürfen die relativ kleinen Verjüngungsbzw. Pflanzflächen intensiver Pflegemaßnahmen, nach Bedarf auch mehrmals im Jahr, um diese von Stockausschlägen und NV der sehr wüchsigen und invasiven STK und GöB freizuhalten. Dies kann sollte zielführend rein manuell durch Herausziehen bzw. tiefes Abknicken durchgeführt werden. Waldaußenrand Waldaußenränder sind im Kollekturwald größtenteils bereits vorwiegend traufartig auch aus Eichen vorhanden, haben meist aber keine ausreichende Tiefe und ausgewogene Baum- bzw. Strauchartenzusammensetzung. GöB und STK verdrängen auch hier mehr und mehr die heimischen Baum- und Straucharten. Bei einer Neuanlage eines tiefer gestaffelten Waldrandes aus Krautsaum-, Strauch-, Baum-Strauch- und Baumzone sollten nur die invasiven Baum- und Straucharten gefällt werden. Bereits vorhandene tief bekronte Eichen und andere geeignete Laubbaum- und Straucharten bzw. Baumarten 2. und 3. Ordnung wie z.B. Hainbuche, Feld- und Spitzahorn, Vogelkirsche, Erle, Weide, als auch Eberesche, Speierling und andere Sorbus-Arten sowie Schlehen, Weißdorn etc. sollten in jedem Fall erhalten und in den neu anzulegenden Waldrand integriert werden. Die nach Fällung am Waldaußenrand dann noch vorhandenen i.d.R. dickeren Stöcke von GöB und STK könnten anschließend mit Stockfräsen von den am Waldrand meist vorhandenen Wegen aus kostengünstig bearbeitet werden. Damit könnten in den Waldaußenrändern nachhaltig GöBund STK-Stockaustriebe verhindert werden.

Die AG Wald Mannheim (BUND Mannheim, NABU Mannheim, Greenpeace Mannheim-Heidelberg).

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