Kreisgruppe Mannheim

Bebauungsplan Nr. 71.47 "Franklin Mitte" in Mannheim-Käfertal

Der BUND Mannheim nimmt dazu im Namen des BUND Landesverbandes Baden-Württemberg wie folgt Stellung:

Fledermäuse:

Franklin Mitte bietet dank der Nähe zum Wald, seiner intensiven Durchgrünung und dem teils alten Baumbestand gute Lebensbedingungen für viele Fledermausarten, weshalb eine sorgfältige, umfassende Begutachtung des Gebietes nötig ist.
Das betroffene Baugebiet umfasst 68 ha. Die Erfassung der Fledermäuse erfolgte bei 7 Begehungen von je 1,25 Stunden zwischen dem 7.April und dem 9. Juni 2015.

Im vorliegenden artenschutzrechtlichen Fachbeitrag, Baader Konzept 2015, sehen wir eklatante Defizite im zu kurzen jahreszeitlichen Untersuchungszeitraum , sowie in der sehr kurzen, nur jeweils 75-minütigen Begehung des 68 ha großen Geländes! Auch das Aufstellen nur eines Batrecorders von 

Ende Mai bis Anfang Juni kann das tatsächliche Fledermausvorkommen auf dem große Gelände nicht erfassen, die Ergebnisse sind wenig aussagekräftig.
Für eine sorgfältige Untersuchung des Gebietes werden mehrere Stunden pro Begehung benötigt, um die Jagdaktivitäten möglichst aller Arten zu erfassen und mögliche Wochenstuben zu verorten. Die Wochenstubenzeit der Fledermäuse erstreckt sich von Mai bis Juli, der Untersuchungszeitraum hat somit nur 1/3 des Zeitfensters erfasst. Zwergfledermaus und Breitflügelfledermaus wechseln zudem gerne ihre Wochenstube, sodass eine Untersuchung des gesamten Zeitraums nötig ist, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Der Gutachter merkt selbst an, dass obwohl kein Schwärmverhalten beobachtet wurde, trotzdem Quartiere im Gebiet möglich sind. Warum er dann keinen längeren Untersuchungszeitraum gewählt hat, erschließt sich uns nicht.

Die Untersuchung des Gebietes in der Paarungszeit im Herbst und zur Zugzeit fehlt ebenfalls.

Darüber hinaus fehlt die Untersuchung der Baumhöhlen, es gibt lediglich den Hinweis auf 118 Höhlenbäume.
Wie die Gebäude und welche der Gebäude kontrolliert wurden, wird im Gutachten nicht näher beschrieben.

Nach §§ 44 Naturschutzgesetz gilt das Tötungsverbot, das Störungsverbot und das Schädigungsverbot. Alle Fledermausarten unterliegen darüber hinaus der FFH Richtlinie, Anhang IV, sodass auf jeden Fall CEF Maßnahmen anzuwenden sind.

Allgemeine Anforderungen an CEF Maßnahmen

Mit vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen sollen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände verhindert werden. Die sogenannten CEF Maßnahmen (Measures to ensure the continued ecological functionality), werden in der deutschen Übersetzung als funktionserhaltende Maßnahmen bezeichnet. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen dienen dazu, trotz der Beschädigung oder (Teil)- Zerstörung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte, die ökologische Funktion der betroffenen Lebensstätte im räumlichen Zusammenhang kontinuierlich zu bewahren. Im Prinzip geschieht dies, indem die Funktionsfähigkeit der betroffenen Lebensstätte vor dem Eingriff durch Erweiterung, Verlagerung und / oder Verbesserung der Habitate so erhöht wird, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Reduzierung oder einem Verlust der ökologischen Funktion der Lebensstätte kommt. Dies betrifft sowohl Fortpflanzungs- und Ruhestätten als auch Nahrungshabitate und Wanderbeziehungen soweit sie für die lokale Individuengemeinschaft einen limitierenden Faktor darstellen. Das Maß der Verbesserung muss dabei gleich oder größer als die zu erwartenden Beeinträchtigungen sein (EU-Kommission 2007).

An vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen sind hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu stellen. Dies bedeutet, dass sie bereits vor der Umsetzung der Planung wirksam sein müssen und die Wirksamkeit (in der Regel durch ein Fachgutachten) belegt ist (MVI Baden- Württemberg 2015).
Es ist also zu beachten, dass funktionserhaltende Maßnahmen eine große, objektiv belegbare Erfolgsaussicht haben müssen und der Erhaltungszustand einer Art in etwaige Überlegungen zu den Risiken derartiger Maßnahmen einfließen muss .

Untersuchungsbedarf vor dem geplanten Abriss ab April 2016:

Aufgrund der mangelhaften Erhebung im letzten Jahr konnten keine Hinweise auf Wochenstuben oder Ruhequartiere gefunden werden, sodass vor dem Abriss jedes Gebäude noch einmal auf Fledermausquartiere zu untersuchen ist.

Trotz zu erwartendem Zeitdruck sind folgende Maßnahmen aus unserer Sicht vor den geplanten Baumfällungen und Häuserabrissen unbedingt zu erfüllen, um artenschutzrechtliche Konflikte zu minimieren:

  • Weitere Untersuchung der Bäume auf Quartiere, bevor die ersten Baumfällungen anstehen.

  • Weitere Untersuchung der Gebäude , Dachstühle ,Verkleidungen an der Fassade,

    Rolladenkästen und ähnliche Strukturen auf Nistquartiere vor deren Abriss

  • Bei der Bewertung des Lebensraums und den nötigen Kompensationsmaßnahmen müssen

    auch die zu erwartenden Eingriffe in der Offizierssiedlung mit einbezogen werden.

  • Schaffung von natürlichen, dauerhaften Habitatstrukturen für die einzelnen Arten zum

    Erhalt der Fledermausvorkommen als vorgezogene Maßnahmen inklusive Erfolgskontrolle.

  • Intensive ökologische Baubegleitung und Dokumentation des Vorgehens.

Grundvoraussetzung ist dabei immer, dass die neu geschaffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von den durch den Eingriff betroffenen Individuen oder der Individuengruppe erreicht werden können und innerhalb des artspezifischen Raumnutzungsmusters so angeordnet sind, dass ihre Nutzung hinreichend wahrscheinlich ist.
Die Festsetzung im Bebauungsplan, die Hälfte der Kästen im Südosten aufzugehängen, wo keine Fledermäuse nachgewiesen wurden, ist nicht nachvollziehbar. Hier bedarf es der Präzisierung.
Auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Arten ist einzugehen. So benötigen Zwergfledermaus und Breitflügelfledermaus aufgrund ihrer Lebensweise mehrere Wochenstubenquartiere im Revier, um erfolgreich die Jungen aufzuziehen.

Die im Gutachten festgesetzten 6 Flachkästen und 4 Rundkästen als alleinige Kompensationsmaßnahme für die geplanten Eingriffe in das Gebiet sind nach BNatSchG völlig unzureichend, da nur für Baumbewohner sinnvoll.
Für die gebäudebewohnende Fledermäuse ist ein Ausgleich von bewohnbare Strukturen an Bestandsgebäuden oder auch in Neubauten vorzunehmen.

Aufgrund der vielfachen Mängel des Gutachtens fordern wir, für die nötigen weiteren Untersuchungen und die ökologische Baubegleitung ein anerkanntes, erfahrenes Büro zu beauftragen.

Vögel

Auch für die Vögel gilt, dass die gutachterlich vorgeschlagenen Nisthilfen nur eine vorübergehende Maßnahme sein können. Es ist dafür zu sorgen, dass Hecken aus heimischen Arten angelegt werden, die die Vögel ernähren können und Nistmöglichkeiten bieten. Sollten aus Gründen der Verkehrssicherheit weitere Höhlenbäume gefällt werden, ist ein Ersatz im angrenzenden Waldrand anzustreben.

Ansonsten schließen wir uns der Stellungnahme des NABU Mannheim an.

Heuschrecken

Alle in der Bestandskarte eingezeichneten Heuschreckenarten sind im Zielartenkonzept aufgeführt, das als Planungswerkzeug die Belange des Artenschutzes in der kommunalen Planungspraxis fördern soll.
Der im Nordosten nachgewiesene Rotleibige Grashüpfer (Omecestus hamorrhoidalis) ist in Baden- Württemberg als landesweit stark gefährdet eingestuft. Als Schutz- und Pflegemaßnahme ist ein konsequenter Schutz der Binnendünen und Sandrasen vor weiterer Zerstörung und Aufforstung zu fordern (Detzel, 1998). In diesem Sinne ist der hier geplante Baumhain unbedingt an anderer Stelle anzulegen. Die Fläche kann in ihrem jetzigen Bestand erhalten und als Magerrasen mit ein- bis zweimaliger Mahd plus Abräumen oder extensiver Schafbeweidung gepflegt werden. Diese Pflege würde auch den in unmittelbarer Nachbarschaft nachgewiesenen Zauneidechsen zu Gute kommen. Während der Bauphase ist diese Fläche vor Befahren und Verdichten mit Zäunen zu sichern.

Die beiden anderen nachgewiesenen Heuschreckenarten, der Buntbäuchige Grashüpfer und die Blauflügelige Ödlandschrecke, sind Zielarten mit regional und landesweit hoher Schutzpriorität. Die weitere Grünplanung soll dem Vorkommen dieser Arten Rechnung tragen und entsprechende Wiesen und Magerrasen fördern und pflegen.

Wiesen

Die Wirtschaftswiesen sind mit heimischem Saatgut entsprechend den Bodenverhältnissen als Salbei-Glatthaferwiesen oder Magerrasen anzulegen, die Pflege soll mit dem Balkenmäher erfolgen, um die Tiere zu schonen. Die im Gebiet nachgewiesenen, bestandsbedrohten Heuschrecken werden damit geschützt. Es ist darauf zu achten, dass die Mahd in mehreren Arbeitsgängen durchgeführt wird, damit kurzfristige Rückzugsräume erhalten bleiben. Das Mahdgut muss abgeräumt werden, sonst ist dauerhaft keine hochwertige Wiese zu entwickeln, die die bilanzierten Ökopunkte wert ist.

Bäume

In der Artenauswahlliste sollten nur heimische Bäume aufgeführt werden, da diese einer Vielzahl von Insekten Lebensraum bieten und Insekten wiederum eine wichtige Nahrungsgrundlage unter anderem für Vögel und Fledermäuse darstellen. Gestalterisch lässt sich mit heimischen Bäumen die gleiche Wirkung erzielen, wie mit exotischen Bäumen, die jedoch von den Insekten gemieden werden. Darüber hinaus bezieht sich die Ökopunktebilanzierung der Bäume auf heimische Arten, wenn nichtheimische Arten gepflanzt werden, müsste die Bilanz laut dem Merkblatt für Eingriffs- Ausgleichsregelung mit einem Abschlag von 20-40% der Punkte versehen werden.

Dachbegrünung

Ein Großteil der nötigen Kompensation erfolgt über die Dachbegrünung. Um die nötige ökologische Qualität zu erreichen, die mit 16 Punkten/m2 bilanziert wird, sollte für die Begrünung ausschließlich Wildsaatgut mit einem Anteil Sedumsprossen vorgeschrieben werden. Sämtliche Dachflächen müssen im Rahmen der Baukontrolle in ihrem Umfang überprüft werden, die eingesetzte Saatgutqualität soll dokumentiert werden.

Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung

Nach dem uns vorliegenden Merkblatt zur Eingriffs- Ausgleichsregelung der Stadt Mannheim werden für die Anlage von Wirtschaftswiesen mittlerer Standorte (HC+ ) 21 Wertpunkte festgelegt, im Bebauungsplan jedoch 29 Wertpunkte berechnet. Für Baumgruppen (LMu neu) werden statt festgelegter 29 Wertpunkte 33 Wertpunkte berechnet. Daraus ergeben sich 688.670 zu viel berechnete Ökopunkte In Tab.2.

Somit ergibt sich nach unserer Berechnung in der Endbilanz (Tab.4) ein Defizit von – 447.123 Ökopunkten, sodass mit dem festgesetzten Bebauungsplan eine Verschlechterung der ökologischen Wertigkeit der Biotope einhergeht. Hier muss nachgebessert werden..

Neophyten

Sehr häufig werden bei Baumaßnahmen über kontaminierte Baumaschinen Neophyten, vor allem Fallopia spec., eingeschleppt. Deshalb sollte bei sämtlichen Baumaßnahmen eine Nachkontrolle und ein dauerhaftes Entfernen von Neophyten in die Ausschreibung mit aufgenommen werden.

Die Stadt Mannheim hat 2012 die 'Deklaration zur biologischen Vielfalt in der Kommune' unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihren Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität zu leisten und dem Artenschwund entgegenzuwirken. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, sind die oben aufgeführten Nachbesserungen umzusetzen und vor den Eingriffen auf ihren Erfolg zu überprüfen.

Energiestandard

Wir vermissen eine Festschreibung zum Energiestandard, die Neubauten sollten den Passivhausstandard erfüllen.

Literatur:

Detzel, P (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs
MVI Baden-Würrtemberg, 2015: Natur- und Artenschutz in der Bauleitplanung

Runge, H; Simon, M Widdig, T (2010): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben

Stadt Mannheim, FB Städtebau (2008): Merkblatt zur Eingriffs- und Ausgleichsregelung

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V., vertreten durch den Arbeitskreis Mannheim, Heidelberg, Rhein-Neckar schließt sich dieser Stellungnahme an.