Stellungnahme zum Antrag auf gehobene wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung von gereinigtem REA-Abwasser aus den Blöcken 6/7/8 zusammen mit dem Hauptkühlwasser Block 7
Aktenzeichen 54.3-8914 / GKM Einleitung REA-Abwasser Block 6/7/8
Stellungnahme zum Antrag auf gehobene wasserrechtliche Erlaubnis (§15 WHG) gemäß §8 WHG und §93 WG für die Einleitung von gereinigtem REA-Abwasser aus den Blöcken 6/7/8 zusammen mit dem Hauptkühlwasser Block 7
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir danken für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu o.g. Vorhaben. Die folgende Stellungnahme ergeht im Namen des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) Landesverband Baden- Württemberg e.V.
und im Namen und mit Vollmacht des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg e.V. (LNV) durch seinen Arbeitskreis Mannheim, Heidelberg, Rhein-Neckar.
Grundsätzlich lehnen wir den Antrag auf eine gehobene wasserrechtliche Erlaubnis ab.
Im Einzelnen:
1. Art der beantragten Erlaubnis
Im Anschluss an die bisherige wasserrechtliche Erlaubnis vom 31.01.2006 hat die Mannheim Aktiengesellschaft (GKM AG) eine gehobene wasserrechtliche Erlaubnis beantragt. Die Notwendigkeit einer gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis wird begründet mit der Sicherung des Energie- und Wärmebedarfs im Zuge der Energiewende, der Versorgung der DB Energie GmbH mit Bahnstrom sowie einem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung der Energieversorgung.
Gegen eine gehobene wasserrechtliche Erlaubnis spricht zunächst die Tatsache, dass das übergeordnete öffentliche Interesse darin liegt, im Rahmen der Energiewende die Strom- und Wärmeerzeugung aus fossilen Energien in den kommenden Jahren schnellstmöglich zu reduzieren.
Darüber hinaus hat die Deutsche Bahn bereits öffentlich angekündigt, ihren Vertrag mit dem GKM nicht verlängern zu wollen, da sie den Anteil der erneuerbaren Energien am Bahnstrommix erhöhen will (Anlage 1). Das durch die Antragstellerin angeführte Argument der Versorgung der Deutschen Bahn wird somit hinfällig.
Des Weiteren bezieht sich die im Antrag auf Seite 9 angeführte Rechtsgrundlage (§ 1 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 2 Energiewirtschaftsgesetz EnWG) explizit auf die Versorgung mit Elektrizität und Gas und kann deshalb nicht zur Begründung der Notwendigkeit einer Sicherung des Wärmebedarfs herangezogen werden. Bisher sind die Blöcke des GKM von der Bundesnetzagentur nicht als für die Stromversorgung systemrelevant eingestuft, sodass auf Grundlage der vorliegenden Antragsunterlagen nicht beurteilt werden kann, ob eine Notwendigkeit für den Betrieb der vom Antrag betroffenen Kraftwerksblöcke mit dem momentanen Brennstoff gegeben ist und, wenn ja, ob alle vom Antrag betroffenen Blöcke benötigt werden und mit welchen Volllaststunden diese veranschlagt werden. Volllaststunden und Brennstoff stehen in direktem Zusammenhang mit den einzuleitenden Wassermengen und deren Fracht.
Generell stehen wir aus den oben genannten Gründen der beantragten gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis ablehnend gegenüber und plädieren stattdessen dafür, maximal eine einfache wasserrechtliche Erlaubnis zu erteilen. Wenn diese erteilt wird, sollte sie in einem ersten Schritt bis Ende 2021 befristet erteilt werden, um eine Anpassung an die in Novellierung befindliche 13. Bundes-Immissionsschutzverordnung zu ermöglichen. Die anschließende Erlaubnis sollte zeitlich bis maximal 2025 befristet sein und Obergrenzen für die Einleitung von Stoffen und Mengen enthalten, die direkt an eine im Rahmen der Energiewende anstehende Reduktion von Volllaststunden der betreffenden Kraftwerksblöcke gekoppelt sind. Die Erlaubnis sollte außerdem nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt weiterer Änderungen genehmigt werden, die aufgrund weiterer nationaler oder internationaler Anforderungen (z. B. Gewässerentwicklungspläne, Fischgewässerrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, Richtlinie für Umweltqualitätsnormen, Bundes- Immissionsschutzgesetz, Bundes- oder Landesklimaschutzgesetz) erforderlich werden können.
2. Wasserrahmenrichtlinie
Eine zeitliche Begrenzung der Erlaubnis ergibt sich auch bereits aus den europarechtlichen Vorgaben. So fordert die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) einen guten chemischen Zustand der Gewässer bis 2015 (durch die Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) verlängert bis 2027) sowie ein Phasing-Out für Quecksilber und andere prioritäre Stoffe.
Das Bundesverwaltungsgericht betont in seinem Urteil vom 02.11.2017 die jeweils eigenständige Bedeutung von Verschlechterungsverbot, Phasing-Out und Verbesserungsgebot (RN. 59). Das Phasing-Out Gebot wurde mit der Umsetzung der Richtlinie für Umweltqualitätsnormen in nationales Recht bereits am 16.12.2008 rechtskräftig. Die 20-Jahres-Frist gem. Art. 16 Abs. 6 2. Spiegelstrich der WRRL endet somit am 15.12.2028 und gibt damit bereits ein absolutes Enddatum für die Einleitung bestimmter Stoffe, wie z.B. Quecksilber. Dieses Enddatum ist gesetzt, auch wenn die Umsetzung des beschlossenen Phasing-Outs für Quecksilber noch nicht implementiert ist. Eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von Quecksilber über den 16.12.2028 hinaus hat deshalb unter allen Umständen zu unterbleiben. Da das Phasing-Out für Quecksilber noch nicht abschließend geregelt ist, empfehlen wir dringend, eine wasserrechtliche Erlaubnis maximal für einen deutlich kürzeren Zeitraum zu erteilen und der dann bestehenden rechtlichen Lage anzupassen. Eine Befristung bis Ende 2025 erscheint angemessen.
Der gute chemische Zustand des betroffenen Oberflächenwasserkörpers (OWK) 3-ORS5 wird laut Antrag “[...] aufgrund der UQN-Überschreitung bei Quecksilber, [...] als „nicht gut” eingestuft“ (S. 24). Nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG sind oberirdische Gewässer, die als erheblich verändert eingestuft sind, so zu bewirtschaften, dass ein gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden. Da sich Schwermetalle in der Umwelt anreichern bedeutet eine weitere Einleitung von Quecksilber, Cadmium, Blei und Nickel auch in geringeren Konzentrationen eine klare Verschlechterung des chemischen Zustandes. Die weitere Erlaubnis zur Einleitung von Schwermetallen widerspricht dementsprechend dem Verschlechterungsverbot. Vor allem der bereits um den Faktor 3 überschrittene Grenzwert von Quecksilber im Kompartiment Biota zeigt einen Handlungsbedarf auf. Eine lediglich “geringfügige” Verbesserung, wie sie die Antragstellerin durch die neue Filteranlage erwartet, ist hier nicht ausreichend.
Die im Antrag ausgeführte Annahme, „eine signifikante Veränderung der Wasserführung im Rhein ist ausgeschlossen“ (S. 28) teilen wir nicht. Zwar sind für die nahe Zukunft keine eindeutigen Trends für die Entwicklung von Niedrigwasserereignissen aus den bisherigen Modellen (z.B. der LUBW) ableitbar, doch könnten die Abflüsse im Sommer um bis zu 10% geringer ausfallen. Die Niedrigwasserereignisse 2003 und 2018 zeigten eindrücklich, mit welchen Situationen bereits heute zu rechnen ist. Das GKM selbst musste das abgeleitete Kühlwasser 2018 bereits mit zusätzlichem Energieaufwand vor der Wiedereinleitung herunterkühlen. Pessimistische Szenarien, welche neben abnehmenden Niedrigwasserabflüssen auch von einer zunehmenden Niedrigwasserdauer ausgehen können somit nicht außer Acht gelassen werden. Niedrigwasser führt temporär zu deutlich höheren Schadstoffkonzentrationen sowie einer weiteren Erhöhung der Wassertemperatur - und damit einer Reduzierung des Sauerstoffgehalts - mit erheblichen Auswirkungen auf die Gewässerökologie. Deshalb fordern wir die Einleitung von Abwässern ab einem Mindestwasserstand und einer maximalen Wassertemperatur einzustellen.
Ferner wurde eine maximale Temperatur des gereinigten REA-Abwassers vor der Einleitung in das Hauptkühlwasser von 45°C durch die GKM AG beantragt (S. 29). Bei Einleitung in den Rhein muss zu jeder Zeit sichergestellt werden, dass dessen Wassertemperatur nicht über 28 °C ansteigt. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) gibt vor: “Bei Wassertemperaturen über 28 °C im Rhein [...] ist in der Regel keine zusätzliche Wärmeeinleitung mehr zulässig”. Diesen Vorbehalt bitten wir bei Erteilung einer Erlaubnis zu berücksichtigen.
Zuletzt fordert die Wasserrahmenrichtlinie zur Kostendeckung für Wasserdienstleistungen auch die Umwelt- und Ressourcenkosten zu internalisieren. Dies wurde 2016 in Form der Abwasserabgabe im Abwasserabgabegesetz geregelt und ist im Rahmen einer Erlaubnis entsprechend zu beachten.
3. BVT-Grenzwerte
Eine Anpassung der 13. Bundes-Immissionsschutzverordnung durch die Bundesregierung an die Richtlinie der EU zur besten verfügbaren Technik für Großfeuerungsanlagen (LCP-BREF) muss bis Ende Juli 2021 erfolgen und wurde von dieser auch dementsprechend zugesichert. Damit würde die aktualisierte Verordnung spätestens sieben Monate nach Inkrafttreten der beantragten Erlaubnis in Kraft treten.
Auch die „Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Abwasserverordnung“ befindet sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Entwurfsstadium (Referentenentwurf vom 17.3.2020).
Damit sind z.B. die genannten zukünftigen zulässigen Tagesmittelwerte für Quecksilber von 0,003 mg/l oder 0,005 mg/l für Cadmium für REA-Abwässer noch nicht verbindlich festgelegt. Gleiches gilt auch für andere BVT-Vorgaben. Wir bitten deshalb darum, die wasserrechtliche Erlaubnis nur vorbehaltlich der zukünftig jeweils geltenden gesetzlichen Vorgaben zu erteilen.
Bei einer Ergänzung der bisherigen Filteranlagen durch weitere Filtertechnologien (z.B. durch Ionenaustauscher/Ultra- Membranfilter) sind heute Werte von 0,0002 mg/l Quecksilber technisch möglich. Wir fordern deshalb, die künftig einzuhaltenden Werte insbesondere für Schwermetalle deutlich unter die gesetzlichen Grenzwerte abzusenken.
4. Einleitungsmengen
Die geforderten maximalen Einleitungsmengen müssen unseres Erachtens angepasst werden: die beantragte jährliche maximale Einleitungsmenge wird mit 160.000 m3 angegeben. Diese entspricht der Menge, die in der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 31.01.2006 genehmigt wurde. Zwischenzeitlich wurde der Kraftwerksblock 9 in Betrieb genommen und für diesen am 03.08.2009 eine gesonderte wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung von REA-Abwässern von zusätzlich jährlich maximal 211.111 m3 genehmigt. Gleichzeitig wurden dabei die Kraftwerksblöcke 3 und 4 final stillgelegt (im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Block 9 sollten laut Punkt 4.1.1.1 die Blöcke 3 und 4 nach erfolgreichem Probelauf von Block 9 als Ausgleich abgeschaltet werden). Entsprechend müssten die Einleitungsmengen aus der RAA an Block 7 aufgrund der verminderten Kraftwerksleistung an Werk 2 sinken. Äquivalent wurde unter Punkt 3.1.3.3 der Genehmigung für Block 9 die maximale jährliche Einleitmenge aus der RAA auch um den Faktor 1,31 höher angesetzt als für die Abwässer der RAA an Block 7.
Es ist außerdem davon auszugehen, dass die Betriebsstunden des Komplexes Block 6/7/8 weiter sinken und die des Blockes 9 weiter steigen werden, wie bereits im Zeitraum 2016 bis 2018 (s. Tabelle 1 im Anhang). Es besteht Spielraum, Block 9 höher auszulasten; in 2018 lief der Block mit 6059 Stunden nur 69 % des Jahres. Block 7 macht 38 % der Gesamtleistung des Komplexes "Werk 2, Block 7, Block 8” aus und ist der älteste der drei aktiven Steinkohle-Blöcke dieses Komplexes. Seine Betriebsstunden sanken um 36 % von 2016 bis 2018. Indes ist Block 7 nun von März 2020 bis September 2020 vom Netz genommen.
Die aktuelle maximale jährliche Einleitungsmenge in den Rhein aus der RAA an Block 7 beizubehalten ist somit nicht zu rechtfertigen. Wir fordern deshalb konkret eine Reduzierung um die Menge der zuvor aus den Blöcken 3 und 4 eingeleiteten REA-Abwässer. Äquivalent zur deinstallierten Leistung ergäbe sich z.B. eine Reduzierung um 26%, somit nur noch ca. 118.000 m3/a (die Leistung der Blöcke 3,4,6,7,8 entspricht in Summe 1675 MW, die der Blöcke 6, 7, 8 entspricht 1235 MW).
Die verringerte Kraftwerksleistung spiegelt sich auch in den aktuellen stündlichen Einleitungsmengen der RAA von Block 7 wider, die mit einem Jahres-Mittelwert von 22,28 ± 5,02 (Std.-Abw.) m3/h in 2017 in einem Bereich von 46 bis 74 % des maximal möglichen Wertes liegen (s. Tabelle 2 im Anhang). Daher sollte auch beim stündlichen Grenzwert für die Einleitungsmenge an RAA-Abwasser eine Reduktion um 26 % auf ca. 27,4 m3/h erwogen werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Bianca Räpple
Regionalgeschäftsführerin
BUND Regionalverband Rhein-Neckar-Odenwald
Vollständige Stellungsnahme mit Quellen und Anlagen
Leitet das Großkraftwerk zu viel Quecksilber in den Rhein? (Rhein-Neckar-Zeitung, 05.05.2020)